Klassische Therapie-Ansätze

Die Vielzahl an Ansätzen zum Erhalt oder zur Wiedererlangung unserer Gesundheit sind nicht nur unerschöpflich, vielgestaltig und widersprüchlich wie das Leben selbst. Sondern manchmal auch sehr langwierig und kostspielig.

Im Falle einer diagnostizierten „psychologischen Störung“ (u.a. Depression, Angststörung, Schizophrenie, Borderline, Sucht- und Esstörungen, psychosomatische Störungen) kann auf die Erstattungsleistung einer gesetzlichen Krankenkasse zurückgegriffen werden.

Hier ist die Sachlage dann (relativ) klar. Von den deutschen Krankenkassen anerkannt ist die Verhaltenstherapie (VT), die analytische Psychotherapie (Psychoanalyse) und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP). Neu hinzugekommen ist seit 2018 die systemische Therapie.

Ein (verhältnismäßig) kurzer Überblick

Schon bei dem Versuch, nur das Wesentlichste vom Wesentlichen der (von den Krankenkassen) anerkannten Therapieansätze zu erfassen, wird es sehr schnell sehr unübersichtlich. Zu komplex das Thema, zu vielschichtig die Sachlage, zu verworren die jeweiligen Querbezüge und historischen Kontexte. Man stelle sich nur mal vor, wie sich dies für akut Hilfesuchende anfühlen mag.

Was ich hier versuchen möchte, ist eine grobe Einschätzung zu geben, um aufzuzeigen, wie sich die Therapie-Konzepte im Sinne meines Coaching-Ansatzes und nach meiner persönlichen Meinung darstellen.

Verhaltenstherapie (VT)

In der VT werden psychische Störungen grundsätzlich als kognitiv erlernte Verhaltensweisen verstanden. Deshalb wird versucht, zunächst das problematische Verhalten bewusst zu machen, um dann aktiv alternatives Verhalten einzuüben. 

Die VT ist eine gedanken- und handlungsorientierte Therapieform. Der Therapeut erarbeitet gemeinsam mit dem Patienten neue Verhaltens- und Erlebensmuster, die der Patient mit Hilfe verschiedener Methoden einübt. Das Ziel ist, die alten negativen Muster durch neue positive zu ersetzen.

Persönliche Einschätzung


Die VT ist so etwas wie die Betriebswirtschaftslehre unter den Therapieformen. Pragmatisch, wissenschaftlich-rational und ausgesprochen strukturiert und zielorientiert. Aber auch etwas oberflächlich.

Innerpsychische Prozesse und intuitive Zugänge wie Spüren und Fühlen werden nämlich eher ausgeblendet und fast gar nicht betrachtet. Auch körperorientiertes Arbeiten findet quasi nicht statt. Immerhin: Mit der sog. „dritten Welle“ der VT sind Elemente der Achtsamkeit und Stressreduktion integriert worden, mit der vierten Welle sogar Körperorientierung und Embodiment. Die VT entwickelt sich also immer weiter. Gut so!

Ausdrücklich gelungen finde ich die unterschiedlichen Ansätze zur Angstbewältigung mithilfe einer konfrontativen Vorgehensweise.

Ansonsten bleibt es häufig bei einer Art „Lackpflege“: Das Auto sieht nach kurzer Zeit zwar wieder gut aus, der Rost frisst sich jedoch unter der Oberfläche weiter, um später an gleicher oder anderer Stelle wieder sichtbar zu werden.

Analytische Psychotherapie (Psychoanalyse)

Diese Therapieform geht auf Sigmund Freud zurück und ist die älteste Form der Psychotherapie. Ziel der Psychoanalyse ist das Bewusstmachen von verdrängten Gefühlen und Erinnerungen, die eine Entwicklung zum gesunden, selbständigen Individuum blockieren. Die Ursachen und Lösungen für gegenwärtige Probleme sind dabei laut freudscher Neurosenlehre im Unbewussten und in der Vergangenheit des Patienten zu suchen.

Persönliche Einschätzung


Die Diffusität und Unklarheit des Begriffs des „Unbewussten“, der Streit der unterschiedlichen Schulen untereinander und der immerwährende Angriffspunkt bezüglich der unwissenschaftlichen Vorgehensweise haben dem Ansehen der Psychoanalyse insgesamt eher geschadet.

Für mich sind darüber hinaus Freudsche Ansätze wie Todestrieb, Penisneid oder Ödipuskomplex als alleinige Urgründe nicht mehr ganz zeitgemäß. Was mir trotz allem immer wieder gefällt ist in dieser Einschätzung von Uffa Jensen hervorragend beschrieben:

Die Psychoanalyse sagt: Krankheiten, Neurosen, selbst schwere Perversionen oder Schizophrenien sind eigentlich Abwandlungen des Normalen. Jeder normale Mensch hat auch diese Tendenzen. Und das hat natürlich etwas Befreiendes, weil dann der ‚Verrückte‘ oder der ‚Irre‘ eine Spielart des Normalen ist. Aber gleichzeitig ist der ‚Normale‘ davon natürlich auch ständig bedroht: Er muss ständig versuchen, sich in den Griff zu kriegen, um nicht durchzudrehen.

Uffa Jensen: Wie die Couch nach Kalkutta kam. Eine Globalgeschichte der frühen Psychoanalyse, Berlin 2019

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP)

Diese TP hat sich aus der Psychoanalyse heraus entwickelt und hat viele Ähnlichkeiten mit dieser. Beide gehen davon aus, dass dem aktuellen Problemen ein innerpsychischer Konflikt zugrunde liegt, der durch eine explizite Deutung des Therapierenden erkannt und aufgedeckt werden kann.

So konzentriert sich die TP bei der Behandlung auf die Bearbeitung des so genannten „Zentralen Konflikts“ und sucht auf dieser Basis nach möglichen Ursachen in der Persönlichkeit oder der Vergangenheit des Patienten.

Im Unterschied zur Verhaltenstherapie liegt der Schwerpunkt damit deutlich weniger auf der unmittelbaren Beeinflussung des Verhaltens des Patienten, sondern auf einer Klärung der zugrunde liegenden Ursachen, wodurch indirekt bzw. in der Folge eine Verringerung der Beschwerden eintreten können soll.

Persönliche Einschätzung


Die TP ist in Deutschland die am häufigsten auf Krankenkassenkosten durchgeführte Psychotherapieform. Gelingende Durchführung hängt allerdings stark von der Passung Klient – Therapeut ab, was die Suche nach einem gelungenem Setting herausfordernd macht.

Wichtig finde ich, immer auch Alternativen wie zum Beispiel die Hypnotherapie, körperorientierte Ansätze oder auch PEP im Blick zu haben.

Systemische Therapie

Bei der systemischen Therapie liegt der Schwerpunkt auf dem sozialen Kontext psychischer Störungen, insbesondere auf den Interaktionen zwischen Mitgliedern der Familie und deren sozialer Umwelt.

Eine psychische Erkrankung eines einzelnen Patienten wird als ein Symptom für eine Störung im Verhalten- oder Kommunikationsmuster des Systems, d. h. in der Familie oder auch im weiteren Umfeld gesehen.

Persönliche Einschätzung


Die systemische Therapie bringt wertvolle neue Perspektiven und Vorgehensweisen in das therapeutische Setting mit ein. Was mir zum Beispiel besonders gut gefällt ist das sogenannte „Reflecting Team“, in dem sich Therapeuten untereinander zum jeweiligen Fall austauschen und gemeinsam reflektieren. Dadurch wird das Herrschaftswissen und die Deutungshoheit eines Therapierenden deutlich abgemildert und eine erfrischende Perspektivenvielfalt erzeugt.

Von Virginia Satir (der Ur-Mutter der systemischen Therapie) stammt die systemische Methode der sog. Parts Party (was für ein toller Name), mithilfe derer biographische Muster und generationsübergreifende Problemstellungen entdeckt und bearbeitet werden können. Auch werden dabei eigene Persönlichkeitsanteile sichtbar gemacht und können somit wieder integriert werden. Diese Idee wurde später von Schulz von Thun aufgegriffen und zum inneren Team weiter entwickelt.

Insgesamt gesehen ist für mich das systemische Denken eine fundierte und sinnvolle Bereicherung für das therapeutische Arbeiten, weswegen es letztlich von den Krankenkassen offiziell anerkannt wurde (seit 2018).

Abschließender Hinweis: Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den von mir angebotenen Coaching-Dienstleistungen nicht um die Ausübung von Heilkunde gemäß § 1 II HeilprG handelt und diese somit keinen Ersatz für eine psychotherapeutische Behandlung darstellen.

Bildnachweis: Christiane Kluge, https://www.instagram.com/christiane.kluge/